Jede Kieninger Uhr ist ein Meisterstück deutscher Uhrmacherkunst

Die Zeit ist reif - die Gründerjahre

Joseph Kieninger
Joseph Kieninger


Als Joseph Kieninger am 01. Juni 1912 mit 1.400 Reichsmark Geschäftseinlagen den ersten Eintrag in sein Cassa-Buch vornahm, legte er damit den Grundstein für eine beeindruckende Firmengeschichte.
Lange genug hatte er nach seiner Uhrmacherausbildung bei der Firma Tobias Bäuerle in St. Georgen gearbeitet, war sogar zum Werksleiter aufgestiegen. Der inzwischen 40jährige wollte endlich sein eigener Herr
sein. So nutzte er die Chance und gründete in Mönchweiler bei St. Georgen seine eigene Firma. Hier baute er technische Laufwerke und Zeitschaltuhren, die damals hauptsächlich für Gaslampen zur Straßenbeleuchtung gebraucht wurden. Ungelernte Arbeiter, meist Bauern aus der Umgebung, stellten Teile her, Facharbeiter montierten die Uhrwerke.
Von Beginn an setzte Joseph Kieninger auf höchste Qualität, ein Merkmal, das die Philosophie der gesamten Firmengeschichte kennzeichnet. Kein Uhrwerk verließ die Firma, bevor er es nicht persönlich geprüft hatte.
Die Zuverlässigkeit und Qualität der Produkte sorgte schnell für wachsende Nachfrage.
Bereits im Januar 1913 beschäftigte Kieninger 18 Arbeiter.

Cassa Buch Kieninger
Cassa Buch 1912

Gasschaltuhr
Gasschaltuhr, eines der ersten Produkte der Firma Kieninger
 

Die Wartezeit genutzt

Bald jedoch wurden die Räumlichkeiten in Mönchweiler zu klein. Eine Erweiterung war nicht möglich. So entschloss sich Joseph Kieninger mitten im Ersten Weltkrieg nach
Prag zu fahren, um sich dort nach größeren Räumlichkeiten umzuschauen. Prag gehörte damals noch zur österreich-ungarischen Monarchie und war ein wichtiges Zentrum der Uhrenindustrie.
Mönchweiler – Prag, der Weg führte über Aldingen. An einem Sommermorgen 1917 wartete Joseph Kieninger dort auf den Zug – vergeblich – denn der Zug nach Prag kam nicht.
Entschlossen nutzte er den unfreiwilligen Aufenthalt und schaute sich in der Nähe des Bahnhofs um. Nur 200 Meter vom Bahnhof entfernt entdeckte er in der Saarstraße ein
geeignetes Gebäude für sein aufstrebendes Unternehmen. Das Grundstück war groß genug für mögliche Erweiterungen und das stattliche Haus bot genügend Raum für die
große Familie mit acht Kindern, die inzwischen alle im Betrieb mithalfen. Auf der Höhe der Zeit - die Zwanziger Jahre Statt ins ferne Prag zog die Fabrik nun um in die nur wenige Kilometer entfernte
beschauliche Gemeinde zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb.
Ab 1921 begann man am neuen Firmensitz Wohnraumuhren zu fertigen. Dieser Bereich sollte für Kieninger mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Das Geschäft florierte und 1927 mussten die Räumlichkeiten durch
einen Anbau erweitert werden.
Der wirtschaftliche Erfolg ihrer Arbeit verschaffte der Familie Kieninger im Jahre 1929 das erste Auto. Stolz präsentiert sich der Firmengründer mit seinen drei Söhnen und Schwiegersohn Eugen Neps auf einem Foto
mit dem neuen Opel.

Kieninger Fabrik Saarstrasse Aldingen
Kieninger Fabrik in der Saarstraße in Aldingen

Chef Auto Kieninger
Joseph Kieninger vor seinem Opel mit Familie

Die Kunst der Präzision

Wie seine Brüder Fritz und Josef arbeitete Wilhelm Kieninger im Familienunternehmen.
Josef war im kaufmännischen Bereich tätig, Fritz als Mechaniker und Wilhelm absolvierte eine Lehre als Feinmechaniker im elterlichen Betrieb. Mit seinem Meisterstück, das er 1930
in der Uhrmacherschule Schwenningen fertigte, legte er den Grundstein für die heutige H-Serie, das Spitzenprodukt des Hauses.
Verfeinert und technisch ergänzt, aber im Kern unverändert, wird das hochpräzise Hausuhrwerk noch heute gebaut. Durch die Einführung dieses großen Standuhrwerks mit Westminsterschlag wurde Kieninger zum
Spezialisten für Hausuhrwerke mit Viertelschlagwerken. Schon damals besaß das Werk eine automatische Schlagregulierung. Sie wurde 1931 patentiert.
Als echter Tüftler stellte sich Wilhelm Kieninger mit Leidenschaft den uhrmacherischen Herausforderungen an die handwerkliche Präzision. Er war maßgeblich daran beteiligt, dass Kieninger Uhren und
Uhrwerke bis heute eine Fülle technischer Besonderheiten und uhrmacherischer Spezialitäten enthalten.
Dem Zug der Zeit folgen Gegen Ende der Zwanziger Jahre war das ursprüngliche Wohnhaus für die wachsende Familie Kieninger zu klein geworden.
So baute man 1931 auf dem Firmengelände ein repräsentatives Wohnhaus, das genug Raum für mehrere Generationen bot.

Kieninger H-Werk
Das Original H-Werk von 1930

Wilhelm Kieninger
Wilhelm Kieninger und sein Meisterstück, das H-Werk

1932 begann Kieninger, Feinmessgeräte für die Firma Carl Mahr in Esslingen zu bauen.
Für die Herstellung der messtechnischen Instrumente galten weitaus anspruchsvollere Toleranzen, was auch der Präzision bei der Uhrwerkefertigung zugute kam.
Eine sehr präzise Teilefertigung vereinfachte auch den Zusammenbau der Uhrwerke erheblich: Die Einzelteile mussten nicht mehr eingepasst werden und konnten jetzt auch durch angelernte Kräfte montiert werden.
Der neue Produktionszweig sicherte im Zweiten Weltkrieg das Überleben der Firma.
Da messtechnische Instrumente für die Rüstungsindustrie gebraucht wurden, wurde die Firma als kriegswichtiger Betrieb eingestuft.

Messgerät
Kieninger Messgeräte

Nach dem Tod des Vaters 1936, hatte inzwischen Wilhelm Kieninger gemeinsam mit seinen beiden Brüdern Josef und Fritz die Geschäftsführung übernommen. Auf Betreiben
von Carl Mahr konnte er 1939 nach nur zwei Monaten an der Front wieder in die Firma zurückkehren.
So konnte die Produktion auch unter schwierigen Bedingungen fortgesetzt werden.
1939 arbeiteten 78 Mitarbeiter im Unternehmen, darunter 18 Frauen. Von den 60 Männern wurden 29 über die Kriegsjahre hinweg einberufen - acht von ihnen kehrten
nicht wieder aus Krieg oder Gefangenschaft zurück. Kieninger versuchte den Arbeitskräftemangel durch Heimarbeit und Dienstverpflichtung von Frauen auszugleichen.
Gleichzeitig erhöhte man die Arbeitszeit. Während vor dem Krieg 48 Stunden in der Woche gearbeitet wurden, erhöhte man zu Beginn des Krieges auf 54 Stunden, später
sogar auf 60 Stunden. Bis 1941 durfte die Firma noch Uhren fürs Inland produzieren und verkaufen. Und sogar bis 1943 lieferte Kieninger noch Uhren ins Ausland, vorwiegend nach Nordeuropa.
Obwohl Stromengpässe und Materialbewirtschaftung die Produktion erheblich behinderten, vermerkte die Geschäftsführung in ihren Büchern stolz, dass die Firma auch im Krieg immer ihren
Lieferverpflichtungen nachgekommen sei.

Die Zeit des Wirtschaftswunders

In den ersten Nachkriegsjahren herrschte überall großer Mangel, nicht nur an Werkzeugen und Material. Nach der Währungsreform 1948 ging es endlich wieder aufwärts. Die Wirtschaft kam wieder in
Schwung. Im Rahmen des Wiederaufbaus wurden in den 50er Jahren pro Jahr mehr als eine halbe Million neue Wohnungen gebaut.
Die Menschen brauchten Möbel - und natürlich auch Wohnraumuhren.
Der erste provisorische Nachkriegskatalog wurde mit viel Improvisationstalent gestaltet. Er enthielt eingeklebte Bilder der Uhrenmodelle und war von Hand beschriftet.
Eine einfache Küchenuhr wurde zum Preis von 3,50 DM angeboten. Pendeluhren kosteten zwischen 16,90 DM und 39,50 DM. Der Katalog 1952 erschien bereits mehrsprachig. Die Uhren
und Uhrwerke wurden in über 50 Länder exportiert und 1960 hatte Kieninger bereits über 150 Beschäftigte.
Der Katalog zum 50jährigen Jubiläum präsentierte 1962 Küchenuhren in modischen Pastellfarben, Wohnraumuhren in modernem Design und das erste batteriebetriebene Uhrwerk. Auf der Uhrenmesse galt die
Kordeluhr als absolute Messeneuheit.

Kieninger Tischuhr 50iger Jahre
Kieninger Tischuhr 50iger Jahre

Kieninger Katalog 1955
Kieninger Katalog 1955

Um Arbeitskräfte an das Unternehmen zu binden, ließ die Firma Anfang der 60er Jahre mehrere Häuser mit Mitarbeiterwohnungen für Betriebsangehörige bauen.
In den 60er Jahren trat die nächste Unternehmer-Generation in die Firma ein. Gottfried Kieninger, der Sohn von Josef Kieninger, übernahm 1962 die kaufmännische Leitung. Der Sohn von Wilhelm Kieninger,
Gerhard Kieninger, übernahm die Konstruktion und sein Bruder Rudolf trat 1969 in die Firma ein. Nach seiner Ausbildung als Uhrmacher hatte er sechs Jahre berufliche Erfahrungen in der Schweiz gesammelt und kümmerte sich nun als Produktmanager um den Bereich Uhren.

Turbulente Zeiten

1975 war die Firma auf über 200 Mitarbeiter angewachsen. Stolz berichtet Gottfried Kieninger auf der Betriebsversammlung über ein überaus erfolgreiches Geschäftsjahr 1974.
Doch 1975 zeichnete sich eine Trendwende in der allgemeinen Wirtschaftslage ab. Zum ersten Mal seit Beginn des Wirtschaftswunders in den 50er Jahren stieg die Zahl der Arbeitslosen über
die magische Marke von 1 Million. Die Bundesrepublik erlebte die schwerste Wirtschaftskrise ihrer bisherigen Geschichte.
Die Ära der Vollbeschäftigung ging zu Ende. Wegen der weltweiten Wirtschaftsflaute musste Kieninger die Produktion von Messgeräten reduzieren. Man versuchte die freigewordenen
Arbeitskapazitäten im Uhrensektor einzusetzen und ahnte damals noch nicht, welches Schicksal die Uhrenindustrie heimsuchen würde.
Nach wie vor konzentrierte sich Kieninger auf die Weiterentwicklung der mechanischen Uhrwerke. Man tüftelte an der Verbesserung der Ganggenauigkeit und einer Erhöhung der Gangreserve. Doch eine möglichst präzise Zeitmessung erforderte aufwendige Feintechnik mit hochwertigen Materialien und war entsprechend teuer. Als in den 1970er Jahren die neuen Quarzuhren eingeführt wurden, war Zeitgenauigkeit plötzlich billig
zu haben.
Schlagartig war Uhrmacherkunst für die Genauigkeit eines Zeitmessers nicht mehr relevant und mechanische Uhrwerke out. Das Gros der Schwarzwälder Uhrenbetriebe versuchte sich dem Trend anzupassen und
stellte die Produktion auf Quarz um. Doch als 1975 Billigprodukte aus Fernost den Markt überschwemmten, mussten viele Uhrenunternehmen Konkurs anmelden.
Heute existieren nur noch wenige Uhrenfirmen und Manufakturen, die mechanische Großuhrwerke herstellen.
Kieninger überstand das Krisenjahr 1976 relativ gut, indem die Firma nun auch elektronische Feinmessgeräte für die Firma Feinprüf in Göttingen produzierte.
Parallel dazu hielt das Unternehmen trotz aller Turbulenzen am ursprünglichen Konzept fest und fertigte weiter technisch anspruchsvolle, hochwertige mechanische Uhrwerke und
Uhren. Die Neuvorstellung 1975 des HTKaliber Kettenzugwerks mit Westminsterschlag auf Tonröhren war ein sichtbares Ergebnis.

1976 wurde auf der Baseler Uhrenmesse der „Wiener Seilzug-Regulator“ als Messeneuheit vorgestellt, eine nach altem Vorbild konstruierte hochwertige Wanduhr. Dieses Meisterstück deutscher Uhrmacherkunst
erwies sich als Erfolgsmodell. In relativ kurzer Zeit wurden über 1000 Exemplare gefertigt und in alle Welt verkauft. Das neue Seilzugwerk, das Kieninger für dieses Modell entwickelte, war insofern etwas Besonderes, da hier die Gewichte nicht an den herkömmlichen Ketten, sondern an über Bronzeseile gehaltenen Umlenkrollen hängen. Solche Seilzugwerke wurden dann auch für andere Wanduhren verwendet und fanden vor allem auf dem amerikanischen Markt schnell einen großen Absatz. Auch heute wird dieser Werketyp in größeren Stückzahlen gefertigt und in Kieninger Stand- und Wanduhren verbaut.

Kieninger Regulator

Der erste Wiener Regulator datiert von 1773. Er leitete eine Epoche ein, die zu den bemerkenswertesten der europäischen Uhrengeschichte zählt. Die Uhren jener Zeit bestachen durch ihren Einfallsreichtum der
Wiener Meister, die Ästhetik der Formgebung, die Auswahl der Hölzer und vor allem durch die Präzision ihrer Werke. Der Höhepunkt der Epoche lag um 1850. Aus jener Zeit stammt auch das Modell, das Kieninger als Vorlage einer Original Reproduktion für Liebhaber und Kenner historischer Uhren diente.

1977 konnte Kieninger als besondere Innovation ein 9-Glocken-Schlagwerk zur Wiedergabe von 3 Melodien vorstellen, das bis heute nur von Kieninger in Serie gefertigt wird. Dabei werden die Glocken in Handarbeit
an der Diamantdrehmaschine gefertigt und immer wieder abgestimmt, bis eine harmonische Klangfolge des Glockenspiels entstanden ist.

Schwere Zeiten

Der Führungswechsel in die dritte Unternehmensgeneration wurde 1982 durch eine Familientragödie überschattet: Gerhard Kieninger, der für die Entwicklung der Uhrwerke verantwortlich war, kam mit 46
Jahren bei einem Autounfall ums Leben. 1984 starb der Seniorchef Josef Kieninger. Ein Jahr später starb auch Wilhelm Kieninger, der bis zuletzt im Unternehmen aktiv war und technische Konzeptionen und Problemlösungen austüftelte. Gottfried und Rudolf Kieninger teilten sich nun die Geschäftsführung. Trotzdem stellte Kieninger auf der Baseler Messe 1985 mit dem J-Kaliber das weltweit kleinste 3-Melodien-Umschaltwerk vor. Mit der Einführung dieses Werks war es möglich, auch in kleine Tisch- und Wanduhren die gesamte Technologie wie bei großen Standuhren einzubauen. Um dieses Uhrwerk entwickeln und fertigen zu können, hatte die Firma Investitionen in moderne Werkzeuge und Maschinen vornehmen müssen.

Als Kieninger 1987 das 75jährige Jubiläum feierte - inzwischen exportierte die Firma 70% ihrer Uhrwerkeproduktion in die USA - war eine weitere Krise zu bewältigen. Die Abwertung des Dollar führte nun zu einem
dramatischen Preisverfall. Der mit Abstand wichtigste Markt drohte zu kollabieren. Zahlreiche Unternehmen waren bereits mit dem Auftauchen der Quarz-Technologie in Konkurs gegangen. Von den 280 Unternehmen
der deutschen Uhrenindustrie im Jahr 1970 existierten 1988 nur noch 166 Unternehmen.

Neue Zeiten

Kieninger wagte einen mutigen Schritt: In den alten verwinkelten Gebäuden der Firma war ein rationeller Fertigungsfluss nicht mehr möglich. So entschloss man sich 1988, ein neues Gebäude im Aldinger Industriegebiet zu bauen. Nach einem Jahr Planung und einem weiteren Jahr Bauzeit konnte man 1990 in das neue Gebäude umziehen und dort ebenerdig auf 5.500 qm fertigen. Der Neubau und massive Investitionen in Rationalisierungsmaßnahmen überstiegen jedoch die Kräfte des Unternehmens. Um Schlimmeres zu vermeiden, beteiligte sich 1991 die Firma Mahr, mit der man seit über 60 Jahren in der Messtechnik zusammenarbeitet hatte, mehrheitlich am Unternehmen.

Kieninger Neubau

Im Zuge einer Neuordnung ihrer Aktivitäten verkaufte Mahr jedoch bereits Ende 1993 die Firma weiter an die amerikanische Firma Howard Miller. Das in Familienbesitz befindliche Unternehmen aus Zeeland, Michigan, ist der größte Großuhrenhersteller der Welt und hat einen sehr hohen Eigenbedarf an Uhrwerken. Seit 2022 kam es zu einem weiterem Wechsel in der Uhrenmanufaktur, so dass nun die Marke Kieninger auf sichere Füße gestellt ist.
 

Kieninger Uhren und Uhrwerke beinhalten eine Fülle teilweise patentierter technischer Besonderheiten und uhrmacherischer Spezialitäten:

  • Hochwertige Grahamanker oder Echapements mit Schweizer Ankergang
  • Triebfertigung mit einem speziell entwickelten Rollierverfahren (Kieninger Entwicklung)
  • Ankerautomatik (Kieninger Patent) zur Abfallregulierung
  • Automatische Nachtabschaltungen (Kieninger Patente) für die Schlagwerke
  • Korrekte Sekundenanzeige bei kurzen Pendeln (Kieninger Patent)
  • Gangreserve, für ein Weiterlaufen des Werks während des Aufziehvorganges
  • Malteserstopps zur Begrenzung der Aufzugs- und Ablaufbereiche der Gewichte
  • Automatischer Melodienwechsel (Kieninger Patent) bei Umschaltwerken
  • Melodieschlag "Westminster" - "Vogelfänger" - "Freude schöner Götterfunke" (Kieninger Entwicklung)